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Hass und Hetze im Netz darf nicht unterschätzt werden

Der erste Austausch von Rita Hagl-Kehl mit der seit September 2021 neu ernannten Deggendorfer Leitenden Oberstaatsanwältin Eva Nistler und Staatsanwaltsrat Dr. Stefan Brunner drehte sich über die nach wie vor steigende Anzahl an Straftaten im Internet, den Umgang mit den sogenannten Reichsbürgern sowie die Einführung der E-Akte.

„Die Corona-Pandemie hat noch einmal zu einer deutlichen Steigerung von Drohungen und Hetze im Internet, beispielsweise in den sozialen Medien oder über E-Mails, geführt. Der Trend ist erschreckend“, so Rita Hagl-Kehl zu Beginn des Treffens. Das Problem betrifft inzwischen nicht mehr nur die „die großen Politiker“ in Bundes- und Landtag, auch Kommunalpolitikerinnen und –politiker, Journalistinnen und Journalisten, Polizistinnen und Polizisten oder sogar Ärztinnen und Ärzte sind von Drohungen und Anfeindungen betroffen. „Jeder kann eine andere Meinung haben und diese natürlich auch öffentlich sagen und vertreten. Das steht außer Frage. Sobald ich andere Personen aber beleidige oder sogar mit Gewalt drohe, hört der Spaß auf. Mit dem Gesetzespaket gegen Hass und Hetze haben wir 2021 unter Federführung des SPD-geführten Justizministeriums aber einen wirksamen gesetzlichen Rahmen geschaffen, um konsequent dagegen vorzugehen“, so Rita Hagl-Kehl. Die Leitende Oberstaatsanwältin betonte, dass Hatespeech und Hetze im Netz von der Staatsanwaltschaft Deggendorf, wie von allen bayerischen Staatsanwaltschaften nachdrücklich verfolgt werde. Einstellungen wegen Geringfügigkeit scheiden in diesen Fällen grundsätzlich aus.

Leider verschwinden die Täter zu oft in der Anonymität des Netzes, bevor wir eingeschaltet werden.
Eva Nistler

Generell nähmen strafbare Delikte im Internet auch abseits von verbalen Drohungen zu, betonte Dr. Stefan Brunner: „Nach wie vor steigt die Zahl der Straftaten, die digital verübt werden. Das fängt an bei kleineren Betrugsdelikten über wenige Euro, umfasst aber auch kinderpornografische Straftaten. Leider verschwinden die Täter zu oft in der Anonymität des Netzes, bevor wir eingeschaltet werden.“ Die Vorratsdatenspeicherung würde hier die Arbeit der Behörden deutlich erleichtern und die Strafverfolgung verbessern, so Eva Nistler. Dem stimmte Rita Hagl-Kehl zu: „Ohne groß darüber nachzudenken geben wir tagtäglich unsere Daten an große, global agierende Internetgiganten weiter, die aus kommerziellen Interessen handeln und fürchten auf der anderen Seite die deutsche Justiz, die nur bei angezeigten Straftatbeständen aktiv wird. Hier besteht meiner Meinung nach ein klares Verbesserungspotenzial.“

Konstant hingegen sei momentan die Zahl der Straftaten durch sog. Reichsbürger im Bezirk der Staatsanwaltschaft Deggendorf, so Leitende Oberstaatsanwältin Nistler. Der Begriff der sog. Reichsbürger fasst alle Menschen zusammen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem grundsätzlich ablehnen und mit dieser Begründung zum Beispiel Gerichtsurteile nicht anerkennen und Bußgelder nicht bezahlen. „Hier gibt es eine relativ kleine Gruppe, die die Autorität der Bundesrepublik vehement gar nicht akzeptiert. Es gibt aber auch die Gruppe, die zunächst beispielsweise die Bezahlung von Bußgeldern mittels Nötigung der Amtsträger verhindern möchten und dann selbst vor Gericht im Strafverfahren wegen versuchte Nötigung bereits ihren Fehler erkennen und eingestehen“, schilderte Eva Nistler ihre Erfahrungen aus der Praxis.

In der Praxis werde es anders als im Zivilrecht noch ein wenig - spätestens bis 2026 - dauern, bis die elektronische Akte (E-Akte) bei der Staatsanwaltschaft umfassend eingesetzt wird. „Wir arbeiten viel mit anderen Behörden zusammen, vor allem mit der Polizei, die andere Systeme und Programme verwenden. Deshalb gestaltet sich die Umsetzung der E-Akte im Bereich des Strafverfahrens komplizierter“, berichtete die Leitende Oberstaatanwältin. Im Bereich des Bußgeldverfahrens sei man schon einen Schritt weiter, so Nistler abschließend.


© Rita Hagl-Kehl, MdB